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Kurt TucholskyBei unserer politischen Situation kann man sich ja so einiges fragen und viele stehen einfach nur kopfschüttelnd davor. Klar ist jedoch, dass das System, so wie wir es kennen, sich langsam in eine Sackgasse manövriert hat, ja, wenn nicht sogar schon gegen die nächst beste Wand gefahren hat.

Durch etliche Verschleierungstaktiken versuchen die da oben immer noch verzweifelt dem Volk glauben zu machen, dass der Status Quo immer noch besteht. Alles ist gut, nur die Linken nicht, und schwarz/rot kuschelt und erwürgt sich dabei gegenseitig. Bravo!

Ich möchte an dieser Stelle lieber den alten Kurt Tucholsky zu Wort kommen lassen. Tucholsky, der schon immer sehr politisch war (aber fast immer satirisch) und dann wohl endgültig zugrunde gegangen ist, als die Nazis seine Bücher verbrannten, beweist im folgenden Gedicht, dass Geschichte sich in Grundzügen immer wiederholt. Oder kommt euch die beschriebene Lage nicht auch irgendwie bekannt vor? (Ersetzt einfach Ebert durch einen anderen Namen… 😉 )

Kurt Tucholsky
Das Lied vom Kompromiß

(Musik: Hanns Eisler)

Manche tanzen manchmal wohl ein Tänzchen
immer um den heißen Brei herum,
kleine Schweine mit dem Ringelschwänzchen,
Bullen mit erschrecklichem Gebrumm.

Freundlich schaun die Schwarzen und die Roten,
die sich früher feindlich oft bedrohten.
Jeder wartet, wer zuerst es wagt,
bis der eine zu dem andern sagt:

„Schließen wir nen kleinen Kompromiß!
Davon hat man keine Kümmernis.
Einerseits – und andrerseits -,
so ein Ding hat manchen Reiz…

Sein Erfolg in Deutschland ist gewiß:
Schließen wir nen kleinen Kompromiß!
Sein Erfolg in Deutschland ist gewiß:
Schließen wir nen kleinen Kompromiß!

Seit November klingt nun dies Gavottchen.
Früher tanzte man die Carmagnole.
Doch Germania, das Erzkokottchen,
wünscht, daß diesen Tanz der Teufel hol.

Rechts wird ganz wie früher lang gefackelt,
links kommt Papa Ebert angewackelt.
Wasch den Pelz, doch mache mich nicht naß!
Und man sagt: „Du, Ebert, weißt du was:

„Schließen wir nen kleinen Kompromiß!
Davon hat man keine Kümmernis.
Einerseits – und andrerseits -,
so ein Ding hat manchen Reiz…

Sein Erfolg in Deutschland ist gewiß:
Schließen wir nen kleinen Kompromiß!
Sein Erfolg in Deutschland ist gewiß:
Schließen wir nen kleinen Kompromiß!

Seit November tanzt man Menuettchen,
wo man schlagen, brennen, stürzen sollt.
Heiter liegt der Bürger in dem Bettchen,
die Regierung säuselt gar so hold.

Sind die alten Herrn auch rot bebändert,
deshalb hat sich nichts bei uns geändert.
Kommts, daß Ebert hin nach Holland geht,
spricht er dort zu seiner Majestät:

„Schließen wir nen kleinen Kompromiß!
Davon hat man keine Kümmernis.
Einerseits – und andrerseits -,
so ein Ding hat manchen Reiz…

Und durch Deutschland geht ein tiefer Riß.
Dafür gibt es keinen Kompromiß!
Und durch Deutschland geht ein tiefer Riß.
Dafür gibt es keinen Kompromiß!

Sämtliche Gedichte MorgensternsWohl kein anderer deutscher Dichter, außer vielleicht Ringelnatz, hat die Lyrik auf so absurde und satirische Weise geprägt, wie Christian Morgenstern.

Dass er auch die leisen Töne beherrschte haben wir erst nach seinem Tod dank seiner Frau erfahren, aber für die meisten Menschen wird Christian Morgenstern (näheres zur Bio wird folgen 😉 ) ewig mit seinem gekonnten Sprachwitz in Verbindung gebracht werden.

Seine teilweise skurrilen, absurden aber immer irgendwie liebenswerten Texte enthalten viel Wahrheit und meist auch eine gehörige Portion Gesellschaftskritik.

Viele seiner Gedichte haben aber auch unsere Alltagssprache geprägt und einzelne Passagen sind zu geflügelten Worten geworden, wie die letzte Zeile in dem folgenden Gedicht:

Christian Morgenstern (1871-1914)

Die unmögliche Tatsache

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

Wie war (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
möglich, wie dies Unglück, ja -:
dass es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagen
in Bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

Oder war vielmehr verboten
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln – kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht -?

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.

“Die Blumen des Bösen”Charles Baudelaire ist einer der berühmtesten Dichter Frankreichs und wohl unbestritten einer der Wegbereiter der literarischen Moderne.

Er hat als einer der ersten Poeten über alle Themen des Lebens geschrieben und auch Tabus, wie Tod und Vergänglichkeit, nicht ausgelassen. „Les Fleurs du Mal“ („Die Blumen des Bösen“) ist die wohl berühmteste Sammlung seiner Gedichte. Ob er nun feinfühlige und sinnliche Leibesgedichte verfasst oder politische und gesellschaftliche Kritik äußert, sprachlich überzeugt Baudelaire immer.

Sein tragisches Leben (nährers zu seiner Biographie folgt…) ist immer direkt in sein Werk eingeflossen und so schaffte er es aktiv gegen die bestehende Moral der damaligen Zeit zu protestieren.

Charles BaudelaireSeine klare, aber immer poetische Lyrik, zieht einen sofort in ihren Bann. Er lehrt uns, dass auch in den hässlichsten und traurigsten Dingen ein Stück Schönheit und Leben steckt. Hier nun eines seiner düstereren Gedichte:

Danse macabre

Stolz wie ein Lebender von edelster Statur,
Mit Handschuhn, Taschentuch und großem Blumenstrauß,
Sieht, ungeniert und lässig, diese Kreatur
Närrisch wie eine hagere Kokette aus.

Sah man solch schmale Taille je auf einem Ball?
Verschwenderisch des reichen Kleide Weite fließt
Auf einen dürren Fuß herab in üppigem Fall,
Den, hübsch wie eine Blume, ein Quastenschuh umschließt.

Die Rüschen, die den Rand des Schlüsselbeins umspielen,
Wollüstig wie sich Bäche an den Felsen drängen,
Sie wehren schamhaft alle Späße ab, die zielen
Auf jenen schauerlichen Reiz, den sie verhängen.

Die tiefen Augen sind ganz finster und ganz leer,
Der Schädel, der mit Blumen kunstgerecht verziert,
Schwankt auf den zarten Wirbeln sachte hin und her.
O Zauber des Nichts, wunderlich ausstaffiert!

Du seiest nur ein Zerrbild, werden manche meinen,
Die sich am Fleisch berauschen, sie begreifen nicht
Die unerhörte Eleganz von menschlichen Gebeinen.
Großes Skelett, das dem, was mir gefällt, entspricht!

Kommst du, das Fest des Lebens mit feixendem Gesicht
Zu stören? Oder treibt dich älteres Verlangen,
Das dir noch immer die lebendigen Knochen sticht,
Daß du zu dem Spektakel der Lüste hingegangen?

Hoffst du, der Kerzenschimmer und das Geigenklingen
Verscheucht den Alptraum, welcher dich verlacht,
Und willst du dies im Sturm der Orgien erringen,
Daß er die Hölle dir im Herzen entfacht.

Du unversiegter Quell von Dummheit und von Unrecht!
Gefäß, wo immerwährend alte Qualen kochen!
Ich seh, durch deiner Rippen gebogenes Geflecht
Kommt unersättlich noch die Natter angekrochen.

Ich fürchte wahrlich nur, daß die Koketterie
Doch keinen Preis erringt, der ihre Mühe wert;
Die Sterblichen verstehen diese Scherze nie!
Der Reiz des Grauens wird von Starken nur begehrt!

Voll grausiger Gedanken die Augenhöhlen gähnen,
Und den gemessenen Tänzer weht ein Schwindel an,
Daß er das ewige Lächeln von zweiunddreißig Zähnen
Nicht ohne bittren Ekel mehr betrachten kann.

Doch wer hat kein Skelett in seinen Arm gedrückt,
Und wer mag nicht von toten Dingen speisen?
Was liegt am Wohlgeruch, am Kleide, das reich geschmückt?
Wer Abscheu zeigt, der muß sich selber schöner preisen.

Du nasenlose Bajadere, kühne Metze,
Sag doch zu diesem Tänzer, zeigt er sich gekränkt:
„Mein Liebling, trotz der Kunst des Schminkens, die ich schätze:
Du riechst nach Tod! Gebein mit Moschusduft getränkt;

Verwelkter Jüngling, Dandy, mit rasierten Wangen,
Ergrauter Lebemann und übertünchter Leichnam,
Der Reigentanz des Todes nimmt auch euch gefangen
Und schleift euch zu dem Ort, von dem nie Botschaft kam!

Vom kalten Seineufer zum heißen Ganges dehnt
Die Herde Sterblicher sich aus, sieht nicht hinauf,
Sieht nicht das Loch, das finster in der Ecke gähnt,
Den Engel mit Trompete, schwarz wie ein Büchsenlauf.

Es wundert sich der Tod, wie allerorts, allzeit
Die Menschen lächerlich sich an der Sonne winden;
Und auch nach Myrrhe duftend will er ihre Tollheit
Oftmals mit seiner Ironie verbinden!“

Eine Kurzbiographie zu Cahrles Baudelaire und ein paar seiner Gedichte als Audiodateien findet ihr auf vorleser.net

Buchcover zu “Jaguar und Neinguar”Viele werden den Autor Paul Maar vor allem durch seine Geschichten über das Sams kennen. Doch Maar kann nicht nur gute Geschichten für Kinder erzählen, er ist auch ein fleißiger Schreiben von amüsanten Versen.

Solche Art von Kinderbüchern ist in meinen Augen, bei all der heutigen Reizüberflutung und dem Trendbewusstsein, das bereits den Kleinen eingeimpft wird, übrigens wirklich erholsam und wichtig.

In seinem neuesten Buch mit dem, wie ich finde, sehr gelungenen Titel „Jaguar und Neinguar“ wurden an die 200 Gedichte Paul Maars zusammengefasst.

Mit viel Charme und Witz vermittelt er so Kindern Gedichte und beweist, dass sie gar nicht langweilig und altbacken sein müssen.

Es gibt hier einfache Abzählreime, die gut ins Ohr gehen, kleine Erzählungen in Gedichtform über Hexen, Drachen und Zauberer, aber auch Rätsel- und Schüttelverse.

Aber auch das allseitsbeliebte Sams ist in ein paar Versen vertreten.

Ute Krauses Bilder unterstreichen frech den Wortwitz Maars und machen so das Lesen zu einem noch größeren Vergnügen.

Und nicht nur Kindern werden die witzigen und intelligenten Reime gefallen. Das ist ein Buch, bei dem Eltern beim Vorlesen genauso unterhalten werden wie ihre Kinder. So wird die Gute-Nacht-Geschichte, wozu sich die Gedichte übrigens besonders gut eignen, zu einem spielerischen Umgang mit Worten.

Ein Buch für Jung und Alt!

Beispiel für eine Gedichtsammlung KästnersEiner meiner Lieblingsautoren ist auf alle Fälle Erich Kästner. Viele kennen ihn wahrscheinlich in erster Linie als Autor von Kinderbüchern wie „Pünktchen und Anton“. Diese Klassiker sind auch heute noch absolut (vor-)lesenswert.

Aber Kästner hat auch viel anderes für das „erwachsenere Publikum“ 😀 geschrieben. Vor allem seine Gedichte schätze ich sehr. Sie sind humorvoll, satirisch, aber auch ernst und stellen einmal mehr Erich Kästners großartiges Sprachtalent unter Beweis.

Eines der wohl bekanntesten und, in meinen Augen, auch besten ist folgendes:

Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

Kästners Gesellschaftskritik in Form eines Augenzwinkerns habe ich schon immer geliebt.

Eine Lektüre seiner Gedichte ist also absolut lohnenswert!

Wer mehr über Erich Kästner erfahren will, schaut am besten mal auf kaestner-im-netz.de vorbei.